Wie sehen die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Internationalisierung von Klebnormen aus? Frank Stein, Leiter der unabhängigen Zertifizierungsstelle TBBCert, war als Referent bei den 20. Bremer Klebtagen am 22. und 23. Juni 2022 vor Ort. Mit seinem Vortrag »Die Klebnormen werden international« gab er ein kurzes Update zum aktuellen Stand der Internationalisierung klebtechnischer Normungen und beleuchtete dabei auch spezielle Bereiche wie die Wehrtechnik und den Schiffbau sowie natürlich die anstehende Transformation der Normenreihe DIN 6701 (Kleben im Schienenfahrzeugbau) hin zur EN 17460.
Das TBBCert als unabhängige Zertifizierungsstelle des Fraunhofer IFAM übernahm 2016 die Tätigkeiten der beim IFAM in Bremen angegliederten anerkannten Stelle, die seit Dezember 2006 die klebtechnische Zulassung von Betrieben im Schienenfahrzeugbau nach DIN 6701 durchführte. Mittlerweile beschränken sich die Zertifizierungstätigkeiten nicht mehr nur auf den Schienenfahrzeugbereich, sondern wurden auf weitere Bereiche in Handwerk und Industrie (DIN 2304-1) sowie das Kleben in der Wehrtechnik (TL A-0023) erweitert. Das Team von TBBCert betreut weltweit über 600 Kunden und führt zusammen mit 11 weiteren externen Auditoren – darunter auch viele Kollegen des Fraunhofer IFAM – pro Jahr über 400 Zertifizierungen durch.
Frank Stein ist Leiter und Auditor zugleich. Er besucht Betriebe in verschiedenen Ländern und auditiert klebtechnische Prozesse. Während der Coronapandemie führte TBBCert auch Remote Audits als Teil der Auditprozesse ein. Aufgrund der positiven Erfahrungen wurden einige der sich als sehr effizient erwiesenen Prozesse aus den Remoteaudits auch in die Zeit »nach COVID« übernommen. Hierzu zählen beispielsweise die Durchführung sogenannter Voraudits, wie auch die Kontrolle von Abweichungen und Verbesserungsvorschlägen. Diese Vorgehensweise ermöglicht es, den gesamten Auditprozess noch effektiver zu gestalten, was sowohl für den Kunden, für den jeweiligen Auditor als auch für die Zertifizierungsstelle selbst diverse Vorteile mit sich bringt. So ergibt sich beispielsweise die Möglichkeit für das zu zertifizierende Unternehmen nach einem ersten Remote Audit noch ein paar Änderungen und Updates einzuleiten, bevor das eigentliche Zertifizierungsaudit vor Ort stattfindet. Weiterhin werden Reisezeiten, Arbeitsbelastung und Kosten durch eine effizientere Planung gesenkt.
Der aktuelle Stand: Internationalisierung klebtechnischer Normungen
In seinem Vortrag bei den Bremer Klebtagen ging Herr Stein besonders auf die Internationalisierung der Normen im Kleben ein. So wird derzeit die Normenreihe DIN 6701 zur EN 17460 transferiert. Die Veröffentlichung der englischen Ausgabe der EN 17460 ist mittlerweile erfolgt. Mit der Deutschen Fassung ist innerhalb der kommenden zwei Monate zu rechnen. Nach Beendigung einer ca. dreijährigen Übergangsfrist geht die Normenreihe DIN 6701 in der EN 17460 auf. Eine Herausforderung bei diesem Prozess der Internationalisierung von Normen ist es, die breiten Interessen der einzelnen Stakeholder sinnvoll und mit einem effizienten Ergebnis unter einen Hut zu bringen. »Es gilt, einen goldenen Kompromiss zu finden«, sagt Frank Stein. »Dies ist insbesondere dahingehend von Bedeutung, da über 60% unserer Kunden mittlerweile aus dem internationalen Umfeld kommen.«
Um zukünftige Herausforderungen zu bewältigen und den klebtechnischen Normen eine vergleichbare Struktur zu geben wird und wurde versucht, die klebtechnischen Normen anhand von drei sogenannten strategischen Kernelementen zu strukturieren:
1. Klassifizierung
2. Personalqualifikation
3. Nachweisführung und Umsetzung
Was gibt es Neues:
DIN 6701 – EN 17460
Wie bereits erwähnt, stellt die Transformation der Normenreihe DIN 6701 hin zur EN 17460 die wohl wesentlichste Aktualisierung auf dem Gebiet der klebtechnischen Normung im Jahr 2022 dar. Um die Weiterentwicklung und Umsetzung der EN 17460 zukünftig sicherzustellen und zu begleiten, wurde am 15. Juni 2022 in Berlin ein europäischer Arbeitskreis (ECARV European Committee Adhesive Bonding of Rail Vehicles) in Kooperation mit dem seit vielen Jahren etablierten ECWRV (European Committee for Welding of Rail Vehicles) gegründet. Wesentliche Aufgaben und Zielsetzungen des ECARV sind:
· Zulassung und Kontrolle von Zertifizierungsstellen und Auditoren
· Harmonisierung der Zertifizierungstätigkeit der Zertifizierungsstellen
· Fassung von Beschlüssen zur Umsetzung und Interpretation der EN 17460
· Veröffentlichung und Pflege der A-Z-Sammlung
ISO 21368
Als ein weiteres klebtechnisches Highlight des Jahres 2022 darf die Veröffentlichung der überarbeiteten ISO 21368 (Adhesives - Guidelines for the fabrication of adhesively bonded structures and reporting procedures suitable for the risk evaluation of such structures) genannt werden. Hierbei sei besonders hervorzuheben, dass es bei der Überarbeitung gelungen ist, die bereits in der Einleitung dieses Artikels genannte Strukturierung hinsichtlich der » Strategischen Kernelemente« voll umzusetzen.
TL A-0023 Wehrtechnik / DIN 2304-Teil 2 Kleben im Schiffbau
Abschließend noch ein kurzes Update zum Kleben in der Wehrtechnik und im Schiffbau:
Derzeit wird and der Erweiterung der DIN 2304-1 hinsichtlich der Anforderungen des Schiffbaus gearbeitet. Hierbei sollen unter anderem auch die Anforderungen der Zulassung von Schiffen, Brandschutzanforderungen sowie die schiffbauspezifischen Arbeitsweisen bei Herstellung und Reparatur Berücksichtigung finden. Die Ergebnisse der hierfür gegründeten Arbeitsgruppe sollen in der DIN 2304-2 veröffentlicht werden.
Der Entwurf für die Überarbeitung der TL A-0023 (Technische Lieferbedingung - Kleben und verwandte Prozesse - Qualitätsanforderungen an Herstell- und Instandhaltungsbetriebe für militärische Produkte) wurde bereits fertiggestellt und befindet sich derzeit in der finalen Bearbeitung und Abstimmung mit den zuständigen Behörden.
Besonderer Wert wurde auch bei dieser Überarbeitung auf eine Harmonisierung der Anforderungen im Vergleich zu den anderen klebtechnischen Regelwerken gelegt. Dies betrifft insbesondere die Personalqualifikation (z.B. Qualifikation der Klebaufsichten in Abhängigkeit zu den Geltungsbereichen der Betriebszulassungen). Weiterhin wurden praktische Erkenntnisse aus der Audittätigkeit der vergangenen Jahre, die bisher in die »A-Z-Sammlung TL A-0023« eingeflossen sind, teilweise in den Entwurf übernommen.
Im Bereich der Normierungsarbeit ist die Klebtechnik bereits sehr professionell und zeitgemäß aufgestellt, wie Frank Stein betont: »Die Normierung in der Klebtechnik ist in den letzten Jahren auf ein sehr fortschrittliches und vorbildliches Niveau gestiegen. Die Harmonisierung und die Standardisierung bei der Überarbeitung und auch Schaffung neuer Normen ist dabei unter anderem auch durch Herrn Prof. Dr. Groß, Leiter Weiterbildung und Technologietransfer am Fraunhofer IFAM, und sein Team aktiv vorangetrieben worden. Wir blicken deshalb sehr optimistisch in die Zukunft.« Als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts ist die Klebtechnik in vielen Branchen und Handwerkszweigen anwendbar und nicht mehr wegzudenken.
Um hier die Qualität hochzuhalten, Fehler zu vermeiden und das ganze Potential dieser Technologie zu nutzen, bedarf es gewisser Spielregeln – sprich Normen und Regelwerke. Dies wird auch in Zukunft so bleiben - denn wie wir alle wissen, können Klebungen weiterhin nicht 100%ig zerstörungsfrei geprüft werden. Und selbst wenn es einmal möglich sein sollte, Klebverbindungen zuverlässig 100%ig zerstörungsfrei zu prüfen: Ein von vornherein vermiedener Fehler ist immer besser als ein »zerstörungfrei geprüft erkannter« Fehler.