Deutschland hinkt überall hinterher, den Eindruck kann man beim Lesen aktueller Nachrichten schnell bekommen. »Stimmt nicht«, meinen Professor Dr. Andreas Groß, Abteilungsleiter Weiterbildung und Technologietransfer Petra Theuerkauff, Leitung praktische Weiterbildung und Lehrgangsdokumentation, und Dr. Erik Meiß, Leiter Weiterbildungszentrum Klebtechnik - WZK, mit Blick auf die branchen- und hierarchieübergreifende, produktneutrale, und gleichzeitig personalzertifizierende Klebtechnik-Weiterbildung am Fraunhofer IFAM. Sie ist im Jahr 2024 30 Jahre alt und inzwischen weltweit tonangebend. Was 1994 aus kleinsten Anfängen hervorging, ist heute, 30 Jahre später, ein weltumspannendes Personalqualifizierungssystem für die moderne Klebtechnik, welches von den Betrieben akzeptiert, genutzt und geschätzt wird. Parallel dazu hat diese klebtechnische Personalqualifizierung Einzug gehalten in die einschlägigen nationalen, europäischen und internationalen Normen der klebtechnischen Qualitätssicherung, die ebenfalls inzwischen weltweit umgesetzt werden.
Der Anfang
»Aller Anfang ist schwer« sagt ein Sprichwort. Warum sollte das für die klebtechnische Personalqualifizierung anders (gewesen) sein? Ganze 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren es, die an den ersten DVS®-Klebpraktiker- und DVS®-Klebfachkraft-Lehrgängen im Geburtsjahr 1994 teilgenommen haben.
»100% Vorbereitung machen 90% des Erfolgs aus«! Unter dieses Motto fielen die Jahre 1988 – 1993. Unter dem Dach des DVS wurden die bis heute zu Grunde liegenden DVS®-Richtlinien erstellt. Sie legten die fachliche und umsetzungstechnische Grundlage dieser berufsbegleitenden Weiterbildung und wurden unter Federführung des Fraunhofer IFAM in der DVS-AG V8 »Klebtechnik«, deren Mitglieder sich aus Vertretern der Klebstoffanwender, Klebstoffhersteller, Universitäten und F&E-Instituten bis heute zusammensetzen, gemeinschaftlich entwickelt. Dazu wurden drei Zielgruppen: die technische Entscheiderebene (DVS®/EWF-Klebfachingenieur/in, die Ebene mit (An-)Leitungsfunktion (DVS®/EWF-Klebfachkraft) und die ausführende Ebene (DVS®/EWF-Klebpraktiker/in) mit ihren jeweils spezifischen, übergeordneten Kompetenzzielen identifiziert und festgelegt.
Bereits ab dem Jahr 1996 wurden dann die nationalen DVS®-Richtlinien unter dem Dach der European Federation for Welding, Joining and Cutting (EWF) in europäische EWF-Richtlinien und demzufolge die nationalen DVS®-Richtlinien in DVS®/EWF-Richtlinien überführt. Beides eröffnete den Weg, die klebtechnische DVS®/EWF-Personalqualifizierung Schritt für Schritt zu internationalisieren.
Weiterbildungszentrum Klebtechnik (WZK): neu für die Klebtechnik – neu für Fraunhofer
Nicht nur für die Klebtechnik, auch für die Fraunhofer-Gesellschaft war 1994 dieser Technologietransferpfad »Weiterbildung« neu. Den »Unique Selling Point (USP) « dabei bildet bis heute die Tatsache, dass der »Wissensgenerierer« (Fraunhofer IFAM) gleichzeitig »Wissensvermittler« (Weiterbildungszentrum Klebtechnik – WZK) ist Dieses ist deshalb möglich, weil die Abteilung »Weiterbildung und Technologietransfer« mit seinem Weiterbildungszentrum Klebtechnik, kurz WZK integraler Bestandteil des gesamten Fraunhofer IFAM/Bereich Klebtechnik mit seinen verschiedenen Fachabteilungen ist.
Aus diesem Grund war das WZK des Fraunhofer IFAM das Modell für die Gründung der Fraunhofer Academy (FA) im Jahr 2006, mit der die Fraunhofer-Gesellschaft den in Bremen erfolgreich entwickelten Technologietransferpfad »Weiterbildung« auf die gesamte FhG ausrollte.
Um darüber hinaus den Standort Bremen mit dem Institut und der Klebtechnik zu verknüpfen, wurde für das WZK der Slogan »Kleben in Bremen“ generiert.
»Die personalzertifizierende und berufsbegleitende Weiterbildung unter dem Slogan „Kleben in Bremen“ war sowohl für das Fraunhofer IFAM als auch für die gesamte Fraunhofer-Gesellschaft ein bis dahin neues Element für den Technologietransfer. « – Andreas Groß
»Kleben in Bremen«: Entwicklung im Laufe der Zeit
»Aller Anfang ist schwer, jedes Durchhalten schwerer«. Zweifelsohne war auch die Umsetzung der klebtechnischen Weiterbildung kein Selbstläufer. Jedoch nimmt die Akzeptanz der personalzertifizierenden klebtechnischen Weiterbildung in Industrie und Handwerk bis heute national und international stetig zu. Die Teilnehmerzahlen entwickeln sich erfreulicherweise über die Jahre durchweg positiv.
»Kleben lernt man nicht vom Zuhören. Das fachliche Wissen muss parallel mit praktischem Arbeiten verbunden werden. « – Petra Theuerkauff
Parallel dazu wurde für die Organisation und Umsetzung klebtechnischer Prozesse unter Federführung des Fraunhofer IFAM ein internationales QS-Normensystem entwickelt, welches die Zusammensetzung des gesetzlich geforderten »Stands der Technik« dahingehend verändert, als dass der »Stand der Technik« sich heute aus Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), Qualitätsmanagementsystem (QMS) nach ISO 9001 und eben diesen klebtechnischen QS-Normenzusammensetzt. Die personalzertifizierende Klebtechnik-Weiterbildung ist in diesem Normensystem als eines von drei Kernelement (inter-)national fest verankert.
»Die internationale Entwicklung des QS-Normensystems stellt die Weichen für die globale, sichere und nachhaltige Nutzung der Klebtechnik. « – Erik Meiß
Zur Entwicklung der Verbreitung des DVS®/EWF-Personalqualifizierungssystems trug der Aufbau des (inter-)nationalen Kooperationspartnernetzwerks bei. Alle Kooperationspartner sind vertraglich an das Fraunhofer IFAM/WZK gebunden und führen nach dessen Qualitätsrichtlinien in dessen Auftrag die Lehrgänge durch. Gleichzeitig partizipieren alle Kooperationspartner an dem eingangs beschriebenen Alleinstellungsmerkmal »Wissensgenerierer = Wissensvermittler«. Auf internationaler Ebene eröffnet das Netzwerk für die klebtechnische Weiterbildung die Möglichkeit, die Lehrgänge »vor Ort« in der jeweiligen Landessprache umzusetzen und so zur Verbreitung beizutragen und gleichzeitig die maximale Vergleichbarkeit der Lehrgangsqualität und Wertigkeit der Teilnehmer-Zeugnisse zu garantieren.
Im Weiteren wurde im WZK die Methodik der Lehrgangsdurchführung schrittweise um das sog. »Blended Learning«-Format, d.h. die Lehrgangsdurchführung in der Verknüpfung online und in Präsenz, erweitert; ein Format, welches ebenfalls gut angenommen wird.
Perspektiven und Ausblick
Die Aufgaben für die nächsten Jahre bestehen darin, verwaltungstechnische Abläufe durch Digitalisierung sinnvoll zu verschlanken. Das o.g. »Blended Learning«-Lehrgangsangebot wird in Bereichen, wo es möglich und sinnvoll ist, erweitert. Das Thema »Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft« wird unter dem Begriff »Verifizierte Langlebigkeit«, der die Sicherheit geklebter Produkte und deren Umweltkompatibilität untrennbar miteinander verknüpft, in die Personalqualifizierungen und den zu Grunde liegenden EWF-Richtlinien weiter integriert. Und zusätzlich wird das Thema »Künstliche Intelligenz« strategisch in die Weiterentwicklung der klebtechnischen Personalqualifizierung aufgenommen.
»Die personalzertifizierende Klebtechnik-Weiterbildung wird kontinuierlich an das sich verändernde lebenslange Lernen angepasst. « – Erik Meiß
30 Jahre »Kleben in Bremen«: DANKE!
30 Jahre sind ein langer Weg. Den geht man nicht allein. Und so gilt der herzliche Dank allen Wegbegleitern, die uns auf diesem Weg mit Ratschlägen, Hinweisen, konstruktiv-kritischen Modifizierungsvorschlägen, Rückmeldungen und Unterstützungen in jeglicher Form begleitet und auf diesem Weg zum Erfolg der klebtechnischen Weiterbildung mit beigetragen haben. Hierin eingeschlossen sind alle Kooperationspartner, alle DVS®/EWF-Prüferinnen und -Prüfern, allen Kolleginnen und Kollegen aus den Fachabteilungen des Fraunhofer IFAM, die uns bis heute neben ihrer eigentlichen Hauptaufgabe in der Weiterbildung unterstützten und allen Kolleginnen und Kollegen in der Abteilung »Weiterbildung und Technologietransfer«. Deren Haupttätigkeit umfasst die Weiterbildung samt aller dazu gehörenden sichtbaren und unsichtbaren Aufgaben. Für alle ist die Arbeit kein »Job«, sondern eine erfüllende Tätigkeit, die intrinsisch motiviert und mit viel Herzblut verrichtet wird. Und das auch in Zukunft!