Dr. Effi Baumgarten
Projektleiterin Klebfachkraft/Referentin Klebtechnik
Das Blended-Learning-Format für die Qualifizierung zum EWF-European Adhesive Specialist (EAS) wurde im September 2021 am Fraunhofer IFAM eingeführt. Seitdem wurden 13 Kurse mit 196 Teilnehmenden aus verschiedenen Ländern erfolgreich durchgeführt. Dabei deutet sich eine interessante Entwicklung an: Die Teilnehmenden dieser Kurse schneiden tendenziell besser ab als in den traditionellen Präsenz-Formaten. Ein Grund dafür könnte die intensive Vorbereitung auf der Lernplattform mit zahlreichen Lernkontrollen und Quizfragen sein. Ein weiterer Vorteil des Blended-Learning-Formats ist die Möglichkeit, im eigenen Tempo zu lernen und die Lerneinheiten beliebig oft zu wiederholen.
Obwohl sich die Teilnehmenden in Blended-Learning-Kursen nur eine Woche persönlich treffen, im Vergleich zu drei Wochen in reinen Präsenzkursen, entsteht dennoch ein ähnlich starkes Gruppengefüge. Dies liegt vermutlich an den regelmäßigen Gruppenarbeiten und Online-Meetings, die während der Online-Phase des Kurses stattfinden und den Austausch sowie die Kommunikation unter den Teilnehmenden fördern.
Doch das Blended Learning-Format bringt auch Herausforderungen mit sich: Eine zentrale Schwierigkeit besteht darin, dass die Teilnehmenden die notwendige Zeit für das Lernen zu Hause aufbringen müssen. Dies erfordert nicht nur ein hohes Maß an Disziplin von den Teilnehmenden, sondern auch Verständnis und Unterstützung von Kollegen und Arbeitgebern. Darüber hinaus kommt hinzu, dass nicht immer ein ruhiger Ort zum Lernen zur Verfügung steht und die Teilnehmenden bereit sein müssen, am Computer zu lernen.
Auf der anderen Seite bietet das Blended-Learning-Format auch unbestreitbare Vorteile: Die Teilnehmenden müssen sich nur eine Woche von ihrem Arbeitsplatz und ihrer Familie entfernen. In vielen Fällen ist eine dreiwöchige Abwesenheit aus beruflichen oder familiären Gründen nicht möglich.
Für die Zukunft zeichnet sich ab, dass Blended-Learning-Kurse besonders für internationale Teilnehmende interessant sein werden, da sie oft lange und kostspielige Reisen ersparen. Ein Beispiel dafür ist der erste indische Blended Learning EAS-Kurs, der in diesem Jahr erfolgreich gestartet ist. Dies zeigt, dass das Format auch international angenommen wird und Potenzial für weiteres Wachstum hat.
Aufgrund der durchweg positiven Erfahrungen mit Blended Learning besteht ein nächster Schritt in der Digitalisierung: Zukünftig werden außerhalb des o.g., personalzertifizierenden Lehrgangsangebots zusätzlich niedrigschwellige »Kleben Kompakt Online«- Seminare ohne Präsenzanteil für Unternehmen angeboten, um für das Betriebspersonal, welches z.B. für seine Klebtätigkeiten keine personalzertifizierenden DVS-/EWF-Abschlussdokumente benötigt oder welches sich einfach einmal zum Thema Klebtechnik einen Überblick verschaffen will oder soll, einen Teil ihres Schulungsbedarfs einfach und unkompliziert zu decken. Diese Seminare können inhaltlich und zeitlich flexibel auf die klebspezifischen Bedürfnisse der Unternehmen abgestimmt und jederzeit mit beliebig vielen Teilnehmenden durchgeführt werden.
Milan Kelch
Stv. Leiter Weiterbildungszentrum Faserverbundwerkstoffe / Projektleiter FVK-Fachkraft / Referent Faserverbundwerkstoffe
Um die besonderen Anforderungen des Blended-Learning-Formats zu erfüllen, sind nicht nur die Teilnehmenden gefordert – auch die Referierenden müssen sich auf neue didaktisch-methodische Herausforderungen einstellen.
Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Anpassung an die veränderten Bedingungen des Online-Lernens. So ist beispielsweise die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne in Online-Formaten deutlich kürzer, was durch mehr Pausen, kürzere Kurstage und regelmäßige Aktivierungen der Teilnehmenden berücksichtigt werden muss. Gleichzeitig eröffnen diverse kreative Online-Tools neue Möglichkeiten für interaktive Übungen, die in Präsenzveranstaltungen so nicht umsetzbar wären.
Ein weiterer Vorteil des Blended-Learning-Formats liegt im Einsatz von asynchroner Kursinhalten. Diese ermöglichen es, die Online-Einheiten weitgehend unabhängig von Zeitzonen zu gestalten, was besonders für internationale Teilnehmende von Vorteil ist. Entscheidend dabei ist, dass die eingesetzten Methoden stets zielgruppengerecht ausgewählt werden und den Ablauf der Kurse nicht unnötig verkomplizieren.
Trotz der zahlreichen Vorteile digitaler Formate gibt es jedoch weiterhin keine Methode, die das praktische Herstellen und Reparieren von Bauteilen ersetzen kann. Daher werden Online-Formate in Bereichen, in denen praktische Fertigkeiten essenziell sind, auch langfristig in Kombination mit gut abgestimmten Praxiseinheiten angeboten.
Um sicherzustellen, dass die Referentinnen und Referenten bei der Entwicklung und Durchführung dieser Kurse über das notwendige methodisch-didaktische Feingefühl verfügen, werden sie regelmäßig geschult und hospitiert. So bleibt die Qualität der Weiterbildungsangebote des Fraunhofer IFAM auf höchstem Niveau, während wir in beiden zugelassenen Weiterbildungszentren gleichzeitig die Vorteile neuer Lehrmethoden optimal genutzt werden.
Zu den Personen:
Dr. rer. nat. Effi Baumgarten ist Biologin und arbeitet seit 2013 am Fraunhofer IFAM im Bereich »Weiterbildung und Technologietransfer/Weiterbildungszentrum Klebtechnik«. Als Projektleiterin verantwortet sie die Qualifizierung zur DVS/EWF-Klebfachkraft und zum EWF-European Adhesive Specialist (EAS). Sie führt Lehrgänge zur Qualifizierung von Klebpraktikern und Klebfachkräften in deutscher und englischer Sprache durch und bringt dabei ihre umfangreiche Expertise ein. Darüber hinaus ist Dr. Baumgarten in der Bearbeitung von Industrieprojekten und der klebtechnischen Beratung von Betrieben aktiv, wo sie Unternehmen bei der Anwendung und Optimierung von Klebtechniken unterstützt.
M.Sc. Milan Kelch ist seit 2018 als Referent am Fraunhofer IFAM im Bereich »Weiterbildung und Technologietransfer/Weiterbildungszentrum Faserverbundwerkstoffe« tätig und stv. Leiter dieser Weiterbildungseinrichtung. Er spezialisiert sich auf faserverstärkte Kunststoffe und betreut alle Kurse im Weiterbildungszentrum Faserverbundwerkstoffe, darunter die Qualifizierungen für FVK-Hersteller, -Instandsetzer und -Fachkräfte sowie die Qualifizierung zum »Composite Engineer« der Allianz Leichtbau, die vom Fraunhofer IFAM geleitet und verantwortet wird.
Zusätzlich unterstützt er das Weiterbildungszentrum Klebtechnik und bringt seine Expertise in der faserverbundtechnischen Beratung sowie Schulungen für Unternehmen ein. Milan Kelch entwickelt In-House-Schulungen und ist als Certified Scientific Trainer für die didaktisch-methodische Betreuung der Referierenden zuständig. Zudem leitet er das Projekt zur Entwicklung und Umsetzung der weltweit bisher einzigartigen, internationalen Qualifizierung zum FRP-Specialist im Blended Learning_Format